Personalgewinnung in der Pharmalogistik

Dr. Lohaus, Führung, Organisation

Von Dr. Ulrich Lohaus

Die Personalgewinnung in der Pharmalogistik stellt die auf diese Branche spezialisierten Logistikdienstleister vor besondere Herausforderungen, bietet aber auch große Chancen. Der Beitrag geht diesen Aspekten im Detail nach. Dabei wird zunächst ein Überblick über die aktuelle Ausgangssituation in der Pharmalogistik sowie über die spezifischen, HR-seitigen Herausforderungen gegeben, denen sich die Logistikunternehmen ausgesetzt sehen. Im nächsten Schritt werden die Chancen und Einflussfaktoren für die Personalgewinnung und Personalbindung analysiert. Schließlich wird ein konkreter Weg aufgezeigt, wie maßgebliche und erfolgskritische Managementfunktionen in diesem Segment ‚richtig‘ und nachhaltig besetzt werden können.

1. Ausgangslage

Logistikdienstleister, die sich auf die Pharmalogistik spezialisert haben, sind gleichsam ‚Wanderer zwischen beiden Welten‘: Einerseits leben sie in der Welt der logistischen Dienstleistungen, die von Flexibilität und Agilität gekennzeichnet ist; andererseits werden sie bis tief in die eigenen Prozesse hinein durch die Anforderungen sowohl ihrer Kunden aus der Pharmaindustrie als auch der regulatorischen Vorgaben beeinflusst und determiniert (vgl. auch Spiggelkötter, S. 479).

 

1.1 Pharmalogistik

Mit einem Logistikkostenanteil am Umsatz von (vergleichweise geringen; vgl. allgemein zu den Umsatzanteilen der Logistikkosten Jung, S. 20/21) 4,2% und einer Null-Fehler-Toleranz in der Prozesskette ist bzw. war die Pharmaindustrie tendentiell eher zurückhaltend gegenüber einer Auslagerung von Teilprozessen an externe Dienstleister (vgl. Lützen), m.a.W.: der ‚Leidensdruck‘ war nicht groß genug, um den Weg des Outsourcings in größerem Maßstab zu beschreiten. Inzwischen ist aber auch für die Hersteller das Umfeld deutlich volatiler und unruhiger geworden: Umfassende gesetzliche Sicherheitsauflagen, auslaufender Patentschutz für bisherge Blockbuster bei gleichzeitigem Fehlen einer ausreichend gefüllten Pipeline von in der Entwicklung befindlichen umsatzstarken neuen Arzneimitteln, die zunehmende Relevanz von Generikaherstellern, Reimporte von Pharmazeutika und damit verbundene reduzierte Erlöse und schmalere Margen veranlassen die Unternehmen, in neue Märkte vorzudringen, ihre Kernkompetenzen systematisch zu definieren und sich konsequenter darauf zu konzentrieren, als das in der Vergangenheit der Fall war. Kundenanforderungen an die Produktverfügbarkeit und sich wandelnde und verlagernde Vertriebskanäle spielen ebenfalls eine große Rolle. Pharmazeutika werden heute global hergestellt und vertrieben. In diesem Kontext wird Logistik immer mehr zum Bindeglied für globale Produktionsverbünde und in die Emerging Markets hinein (Andres, S. 17).

Den Umgang mit zunehmend temperaturkontrollierten Transporten in unterschiedlichen Temperaturfenstern und die Erhöhung der Sicherheit der Supply Chain sehen die Beteiligten an der Pharmalogistikkette als zwei der wichtigsten aktuellen und zukünftigen Themen. Auch die Individualisierung von Therapie und Medikation und eine dadurch bedingte stärkere Segmentierung in produkt- sowie kundengruppenspezifische Supply Chains sowie kleinere Chargen werden die Pharmalogistik künftig stärker prägen. Für die spezialisierten Dienstleister wird der Postponement-Ansatz, also die Verlagerung der Erstellung kunden- bzw. marktorientierter Endverpackungen oder anderer Spezial-Problemlösungen auf eine möglichst späte Wertschöpfungsstufe, künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen (vgl. zum Ganzen Andres, S. 17; Strobl, S. 19).

Um auf den zunehmenden Wettbewerbs-, Leistungs- und Preisdruck sowie auf steigende Flexibilitätsanforderungen und neue Absatzkanäle zu reagieren und Investitionen außerhalb des eigenen und eigentlichen Kerngeschäfts zu vermeiden, hat die Pharmabranche in den letzten Jahren zunehmend die strategische Relevanz der Logistik erkannt und sich den Logistikdienstleistern geöffnet, nimmt das Outsourcing in der Pharmalogistik weiter zu. Die Logistikkosten sollen gesenkt und Finanzmittel in Forschung und Entwicklung umgelenkt werden (vgl. zum Ganzen Lützen; Körner). Nebenbei sei angemerkt, dass sich dieser Prozess erstaunlicherweise zeitlich erheblich später vollzieht als das bereits seit Jahren praktizierte und mindestens ebenso sensible Outsourcing von Herstellungsprozessen an externe Lohnfertiger der Pharmaindustrie.

War also die Pharmalogistik in der Vergangenheit zumeist integraler Bestandteil der Produktionsunternehmen selbst wird sie heute häufig ausgelagert. Zudem sehen sich die Dienstleister einem stärker globalisierten Markt gegenüber (vgl. für die Chemieindustrie Reinhard). Diese grundlegenden Veränderungen haben selbstverständlich und zwangsnotwendig erhebliche Auswirkungen auf die Personalgewinnung in der und für die Pharmalogistik.

Gleiches gilt angesichts der Komplexität und zunehmender regulatorischer Vorgaben an die Unternehmen der Pharmalogistik. Durch die Übertragung der aus der Pharmaherstellung bekannten EU-Guidelines der GMP (Good Manufacturing Practice) auf Transport und Lagerung pharmazeutischer Produkte in Form der GDP (Good Distribution Practice)-Richtlinien steigen die Anforderungen an die Logistikdienstleister der Pharmaindustrie ganz erheblich. Ziel ist eine Verbesserung von Qualität und Compliance in der Distribution. Nachverfolgbarkeit, Produktsicherheit und aktive Temperaturkontrolle sind insoweit entscheidende Stichworte (vgl. auch Andres, S. 17). Schnelligkeit, Sicherheit und Effizienz verlangen in diesem Branchenumfeld ein außerordentliches Maß an logistischer Exzellenz. Die Entwicklung und Implementierung veränderter Prozessstrukturen, die Planung und Umsetzung infrastruktureller Investitionen in Fuhrpark, Kühltechnik, Immobilien, Mitarbeiter- und Subunternehmerschulung sowie in Qualitätsmanagement und intelligente IT-Systeme sind nur einige Beispiele. Der Einsatz moderner, cloudbasierter Technologien für mehr und bessere Datenkontrolle, eine schnelle Vernetzung und mehr Transparenz im gesamten Wertschöpfungsnetz unterstützt die sinnvolle Kollaboration zwischen Herstellern, Großhändlern und Dienstleistern und ermöglicht so die ganzheitliche Betrachtung einer sicheren Lieferkette (vgl. zum Ganzen Körner). Im Gegenzug erweitern viele Logistikdienstleister ihr Leistungsspektrum, da sie insbesondere in den Sonder- und Komplementärfunktionen solide und realistische Wertschöpfungspotentiale sehen. Ein solchermaßen erweitertes, breites Leistungsangebot umfasst beispielsweise auch Finanzierungsleistungen, zusätzliche Leistungstools der Telematik oder GPS-Monitoring, z.B. von Temperaturen und Geschwindigkeiten. Diese zusätzlichen Features spielen insbesondere bei hochpreisigen Pharmalogistikdienstleistungen eine wettbewerbsentscheidende Rolle bei der Auswahl des externen Dienstleistungspartners. Viele Dienstleister sehen demgemäß ihre Chance in der Entwicklung und Bereitstellung innovativer Speziallösungen mit einer deutlichen Dominanz der Sonderleistungen im Verhältnis zu den konventionellen logistischen Leistungen im engeren Sinne (vgl. Spiggelkötter, S. 498). Durch all das wird die logistische Tätigkeit als solche in operativer wie in intellektueller Hinsicht anspruchsvoller und - aus der Sicht von Führungskräften - deutlich attraktiver.

 

1.2 HR-Herausforderungen in der Logistik

Nicht nur die Pharmaindustrie als Kunde stellt besondere und zunehmende Anforderungen an die Logistikdienstleister. Diese sind vielmehr noch anderen, ganz grundsätzlichen und kundenunabhängigen Herausforderungen in der Frage der Personalgewinnung ausgesetzt (vgl. zum folgenden und insgesamt die Studie ‚Transportation & Logistics 2030, Volume 5: Winning the talent race‘ von PwC PricewaterhouseCoopers und EBS Business School). Durch die demographische Entwicklung entsteht in manchen Bereichen, z.B. bei den Fahrern, schon heute ein spürbarer Personalmangel. Die Branche Logistik und Transport wächst in vielen Volkswirtschaften schneller als das jeweilige ‚Angebot‘ an qualifizierten und motivierten Mitarbeitern. (Wann immer im folgenden der Einfachheit und besseren Lesbarkeit halber nur die maskuline Form verwendet wird [z.B. Kandidat], ist zugleich die feminine Form mit eingeschlossen.) Die sich daraus potentiell zukünftig ergebenden Engpässe machen deutlich, dass es sich hier um ein strategisches Thema mit Auswirkungen auf alle Unternehmensbereiche handelt, das die Aufmerksamkeit des Top-Managements zwingend erforderlich macht. Es kommt darauf an, das Human Resources (HR) Management nicht als bloß untertsützende Funktion zu betrachten, sondern als strategischen Partner der Unternehmensleitung anzuerkennen und aktiv in die Unternehmensentwicklung einzubeziehen. Die Personalentwicklungsplanung von HR muss mit der Unternehmens­planung des obersten Managements verzahnt, aus ihr abgeleitet und mit ihr weiter­entwickelt werden.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist das Image der Logistik als Branche. Auch der terminologische Umstellungsprozess der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, in dessen Verlauf die Bezeichnungen ‚Spedition‘ und ‚Transportunternehmen‘ zunehmend durch den Begriff ‚Logistik‘ substituiert wurden, hat nicht zu dem erhofften Imagewandel geführt. Vielmehr schwingen für viele potentielle Kandidaten bei Logistik und Transport noch immer die Vorurteile einer gewissen ‚Schmuddeligkeit‘, eines hemdsärmeligen, eher semiprofessionellen Agierens und schlechter Bezahlung mit. Viele nehmen die Logistik als Branche, geschweige denn als Zukunftsbranche, trotz ihrer maßgeblichen volkswirtschaftlichen Bedeutung schlicht nicht wahr. Der Logistics Performance Index 2014, eine Studie der Weltbank, sieht in der Ausbildung von Logistikfachleuten und Supply Chain Management-Spezialisten eine der wichtigsten Aufgaben für das Funktionieren der Weltwirtschaft. In Deutschland ist die Logistik der größte Wirtschaftsbereich nach der Automobilwirtschaft und dem Handel. Sie rangiert noch vor der Elektronikbranche und dem Maschinenbau und übertrifft mit rund 3 Millionen dessen Beschäftigtenzahl um das Dreifache. Die Steuerung der Waren- und Informationsflüsse, aber auch der Transport der Güter und ihre Lagerung sind wichtige Wirtschaftsfunktionen, die hohe Werte schaffen. Rund 240 Milliarden Euro Umsatz wurden im Jahr 2015 branchenübergreifend erwirtschaftet. Damit hat Deutschland einen Anteil von 25 Prozent am europäischen Logistikmarkt, der auf 960 Milliarden Euro (2014) geschätzt wird. Dies ist zum einen auf die geographische Lage Deutschlands im Herzen Europas, zum anderen aber auch darauf zurückzuführen, dass Deutschland eine internationale Spitzenposition in Infrastrukturqualität und Logistiktechnologie einnimmt (vgl. BVL).

Nur knapp die Hälfte der logistischen Leistungen, die in Deutschland erbracht werden, besteht in der gemeinhin sichtbaren physischen Bewegung von Gütern durch Dienstleister. Die andere Hälfte findet in der Planung, Steuerung und Umsetzung innerhalb von Unternehmen statt. Dieser Umstand wie auch die massive Bedeutung von IT, Technologie und Digitalisierung gleichsam als Rückgrat der Logistik sind erhebliche Faktoren, welche die Wahrnehmung der Logistik als eine moderne, attraktive Branche der Zukunft nachhaltig prägen können. Um ein Vielfaches mehr dürfte dies für die Pharmalogistik gelten, welche die Pharmaindustrie als die am zweitmeisten zukunftsfähig angesehene Branche in Deutschland (vgl. IW Consult, S. 8) mit innovativer Logistik verbindet.

Insgesamt wird es erheblicher finanzieller und motivatorischer Investitionen bedürfen, um die Herausforderungen für eine zukunftsfeste und adäquate HR-seitige Aufstellung der Logistikdienstleiter im Allgemeinen wie der Pharmalogistikunternehmen im Besonderen erfolgreich zu bestehen. Dabei geht es um Investitionen sowohl in das Recruiting und Onboarding qualifizierter und talentierter Führungskräfte und Managementpersönlichkeiten mit Leadership als auch in Ausbildung, Training/Coaching und Weiterentwicklung vorhandener Leistungsträger.

 

2. Chancen und Einflussfaktoren für die Personalgewinnung und Personalbindung

2.1 Anforderungen an Logistikmanager und Transfer von Führungskräften aus der Industrie in die Logistik

Angesichts der geschilderten Veränderungen und Herausforderungen ist offensichtlich, dass sich das Anforderungsprofil an Führungskräfte in der Logistik, zumal auf Dienstleisterseite, ändert. Die komplexen Strukturen moderner Versorgungsketten fordern pragmatisch han­delnde und zugleich abstrakt denkende Logistikmanager (vgl. zum Ganzen Lohaus, S. 22).

Rund 3 Millionen Menschen sind in der deutschen Logistikwirtschaft beschäftigt – viele davon in kleinen und mittleren Betrieben. Doch der Trend geht eindeutig zu größeren Unter­nehmensgruppen und Kooperationen. Die damit verbundene Ausweitung des Dienstleis­tungsportfolios verfolgt den Zweck, die deutlich gesteigerten Erwartungen der Kunden an die Logistikdienstleister zu erfüllen und sich zugleich im wettbewerbsintensiven Branchenumfeld zu differenzieren. Um diesem neuen Anforderungsprofil zu genügen, muss auch das Management Team eines Logistikdienstleisters zusätzliche Qualifikationen aufweisen.

Der klassisch intern zur Führungskraft aufgestiegene Speditionskaufmann stößt dabei immer häufiger an seine Grenzen. So gehören zum Angebotsportfolio eines Logistikdienstleisters heute nicht mehr nur Transport-, Umschlags- und Lagerleistungen, sondern auch die Ge­staltung, Umsetzung, Organisation und Steuerung vollständiger Lieferketten (Supply Chains). Darüber hinaus wird von einem modernen Logistikdienstleister, wenn er etwa als Lead Logistics Pro­vider (LLP) tätig ist, die Organisation aller wesentlichen logistischen Prozesse einschließlich der Lieferantenkoordination, der IT-Integration sowie der Übernahme kundenspezifischer Value Added Services erwartet. Ein derartig aufgestellter Dienstleister kann zugleich auch die Funktion eines Fourth-Party-Logistikers (4PL) wahrnehmen, der keine eigenen Assets in Form von Fahr­zeugen oder Lagerhallen mehr unterhält, sondern als neutraler Mittler zwischen seinen Kunden und anderen Logistikdienstleistern fungiert.

Um Unternehmen mit solchen Leistungsspektren zu lenken, müssen Führungskräfte in der Logistik ganz bestimmte Kompetenzen mitbringen. An erster Stelle stehen ein hohes Abstraktionsvermögen sowie die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte schnell zu erfassen und sicher zu beherrschen. Außerdem müssen an die Stelle der früher häufig in der Logistik zu beobachtenden ‚Hauruck-Mentalität‘ das Denken in ganzheitlichen und integrierten Prozes­sen sowie die Fähigkeit treten, strategisch, aber pragmatisch zu planen und zu arbeiten. Darüber hinaus sind neben einer strukturierten und methodischen Arbeitssystematik ausge­prägte IT-Kenntnisse erforderlich. Letztlich geht es um die Kombination aus Management- und ingenieurwissenschaftlichen Erfahrungen verbunden mit einem soliden kaufmännischen Wissen.

Wie wichtig diese Kompetenzen für Logistikmanager sind, zeigen die oben aufgeführten veränderten Anforderungen der Pharmaindustrie an ihre Logistikpartner. Unter anderem kommt es dabei wesentlich darauf an, die Parallelität und den permanenten Abgleich von Waren- und Informations­flüssen sicherzustellen und zu jeder Zeit über die korrekten Status- und Prognoseinformationen zu verfügen. Der Logistikmanager der Zukunft ist also mehr ‚spezialisierter Generalist‘ als ‚altgedienter Praktiker‘. Der Aufstieg solchermaßen ‚altgedienter Praktiker‘ zur Führungskraft war zwar jahrzehntelang sachgerecht und daher erfolgreich möglich. Bei den kontinuierlich komplexer und anspruchsvoller werdenden Aufgaben, derer sich die Logistik stellt und die gerade die enormen Zukunftschancen der Logistik begründen, stößt dieser jedoch zunehmend an seine Grenzen.

Eine Lösung für Logistikunternehmen, um auch künftig wettbewerbsfähig zu sein, kann daher die Besetzung von Führungs­positionen mit Quereinsteigern sein, die keine gelernten Logistiker sein müssen, sondern in erster Linie eine breite Management- und/oder spezifische Branchenerfahrung mitbringen. Im vorliegenden Zusammenhang ist hier in erster Linie an erfahrene Führungskräfte aus der Pharmaindustrie zu denken, die auf die Seite des Pharmalogistikdienstleisters wechseln. Solche Seitenwechsel sind zugleich ein erfolgversprechender Weg für Logistikdienstleister, um in die Pharmalogistik einzusteigen oder dort weiter zu wachsen. Mit der Rekrutierung von Spezialisten aus der Pharmaindustrie bauen sie ihr eigenes pharmaspezifisches Know-how auf bzw. aus und erwerben dadurch die nötige Kompetenz, um von der Industrie als qualifizierter Partner akzeptiert zu werden. Auf die besonderen Herausforderungen, die derartige Wechsel aus der Pharmaindustrie auf die Dienstleisterseite im Hinblick z.B. auf Vergütungsunterschiede und Branchenreputation mit sich bringen, wird noch separat einzugehen sein (vgl. dazu unten 2.2 und 2.3).

Um die passenden Kandidaten für das eigene Unternehmen zu interessieren, muss der Logistikdienstleister den Erwartungen der Führungskräfte an Strukturen und Rahmenbedingungen, die professio­nelles Arbeiten erst ermöglichen, entgegenkommen. Nur so lassen sich die begehrten Quereinsteiger nicht nur für das Logistikwesen begeistern, sondern auch langfristig an das Unter­nehmen binden. Wichtig ist dabei allerdings, dass die ein Logistikunternehmen kennzeich­nende Flexibilität und Unmittelbarkeit seiner zumeist mittelständischen Strukturen nicht verlo­rengehen. Denn auf die geschätzte und gewohnte Geschwindigkeit, Flexibilität und Direktheit im täg­lichen Umgang möchten die Kunden keinesfalls verzichten. In vielen Fällen sind es nämlich gerade diese Qualitäten des Dienstleisters, die ihn erheblich von den starren Konzernstrukturen der Kunden unterscheiden, was immer wieder einer der entscheidenden Gründe für die Wahl eines externen Dienstleisters als agilem ‚Schnellboot‘ ist.

Die Herausforderung für die Logistikbranche besteht also darin, dass die Logistikmanager neuen Typs von der Qualifikation her eher aus größeren, klar professionell ausgestalteten Struktu­ren kommen sollten, sie von der Persönlichkeit her aber in der Lage sein müssen, sich in einem mittelstän­dischen, bisweilen noch nicht voll professionalisierten Umfeld zurechtzufinden und erfolgreich zu arbeiten. In Zukunft wird es in den Führungsfunktionen der Logistikdienstleister mithin immer mehr auf den richtigen Mix ankommen – einerseits die richtige Zusammensetzung von Führungsteams als Ganzen, andererseits aber auch die Kombi­nation diverser Kompetenzen bei den einzelnen Persönlichkeiten selbst. Im Hinblick auf die künftige Gültigkeit herkömmlicher Ausbildungshintergründe in der Logistik geht es nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Viele der Charakteristika des Spe­ditionskaufmanns alter Prägung, der sich durch Kreativität, Unkompliziertheit und die Fähig­keit auszeichnet, innerhalb kürzester Zeit Lösungen zu finden, gehören auch zum Profil des ‚neuen‘ Logistikers, aber eben bei weitem nicht allein.

 

2.2 Branchenreputation

Ein maßgeblicher limitierender Faktor für die Ausstattung der Logistikdienstleister mit gerade für die Pharmalogistik so essentiellen hochqualifizierten Führungskräften ist die stark verbesserungsbedürftige Reputation von Logistik und Transport als Branche (vgl. dazu allgemein Scholz). Diesem Umstand kommt eine umso höhere Relevanz zu als die Pharmaindustrie aus Bewerbersicht als deutlich attraktiver als die Logistikbranche wahrgenommen wird, die Logistikunternehmen zugleich aber darauf angewiesen sind, gerade auf solche Führungskräfte eine hohe Anziehungskraft auszuüben. Auf dem Radar vieler High Potentials, seien sie nun Einsteiger oder erfahrene Führungskräfte, tauchen Logistikdienstleister als innovative Unternehmen in einem anspruchsvollen, zukunftsträchtigen Markt schlicht nicht auf.

Im Hinblick auf die Image-Frage gilt es, zwei Ebenen zu unterscheiden, die einerseits eng verzahnt sind, andererseits aber auch jede für sich gestalt- und damit verbesserbar sind. Da ist zum einen die Branche als solche und als ganzes, die durch ihre diversen Branchenverbände repräsentiert und damit auch in ihrer öffentlichen Wahrnehmung mitbestimmt wird. Und da sind zum anderen die zahlreichen Einzelunternehmen selbst, die in ihrer Gesamtheit die Branche ausmachen und über die am meisten konkrete und am unmittelbarsten erfahrbare Möglichkeit verfügen, die Branchenreputation positiv zu beeinflussen. Bei ihnen muss das Bestreben ansetzen, die Branche als das wahrnehmbar und erfahrbar zu machen, was sie ist: innovativ, zukunftsgerichtet und zukunftsträchtig, übergreifend und vernetzend sowie unabdingbar für die digitale Zukunft aller anderen Branchen (vgl. dazu auch Hector).

In diesem Zusammenhang kommt der Marke des einzelnen Logistikdienstleisters als Unternehmens- wie als Arbeitgebermarke eine ganz entscheidende Bedeutung zu: Eine starke, positiv besetzte Marke kann dem individuellen Unternehmen ganz maßgeblich helfen, den Einfluss des negativen Branchenimages für sich deutlich zu relativieren oder eventuell sogar ganz ‚auszuschalten‘.

Hinzu kommt schließlich ein weiteres Element, das ebenfalls um ein vielfaches bedeutender und wirkungsvoller ist als alle sachlichen Faktoren und das nur die einzelnen Unternehmen bestimmen und prägen können: die Unternehmens- und Branchenkultur, der Umgang miteinander, die Internationalität und kulturelle Vielfalt und damit schlussendlich das emotionale Moment. Solche Erfahrungen sind glaubwürdiger, authentischer und nachhaltiger als jede zentral gesteuerte Imagekampagne eines Verbands. Erst die Verbindung und gegenseitige Unterstützung beider Elemente dürfte langfristig erfolgreich einen Imagewandel bewirken können.

Aufgrund des guten Ansehens der Pharmaindustrie als Arbeitgeber liegt für die Pharmalogistikunternehmen in der Verbindung von Pharma und Logistik eine besondere Chance, Reputation und Attraktivität zu steigern.

 

2.3 Vergütung

Eine weitere nicht zu vernachlässigende Herausforderung im Kampf um die echten Talente – seien es Berufseinsteiger oder sog. Professionals – sind die unterschiedlichen Verdienstmöglichkeiten und Einkommenshöhen, insbesondere im Verhältnis zwischen der Pharmaindustrie einerseits und dem Logistiksektor andererseits.

Wie eine aktuelle Analyse ergab (vgl. hierzu und zum folgenden Compensation Partner), zahlt die Pharmaindustrie über verschiedene Berufe hinweg die höchsten Gehälter. Wer in der Pharmaindustrie arbeitet, kann 20 % mehr Gehalt erwarten als in anderen Branchen. An zweiter Stelle liegen die Branchen Chemie/Verfahrenstechnik und der Halbleitersektor, die jeweils 19 % mehr als der Durchschnitt zahlen. Der Anlagenbau, der Maschinenbau, Banken und Software liegen mit einem Plus von jeweils 18 % knapp dahinter. Zu den zehn am besten zahlenden Branchen gehören außerdem Medizintechnik, Elektrotechnik sowie Unternehmensberatungen. Der starke Einfluss von Branchen wie der Pharma- oder Chemieindustrie dürfte zum einen auf den hohen Ausbildungsstand der Beschäftigten und zum anderen auf den Wettbewerb um Spezialisten auf dem Markt zurückzuführen sein. Zu den Wirtschaftsbereichen mit einem negativen Einfluss der Branche auf das Gehalt gehört demgegenüber der Bereich Logistik, Transport, Verkehr. Hier liegt die Vergütung 12 % unter dem branchenübergreifenden Gehaltsdurchschnitt. Dem Global Wage Report der International Labour Organisation (ILO) zufolge ist der Bereich Transport überall auf der Welt einer der Sektoren mit der signifikantesten Niedriglohnkonzentration (vgl. International Labour Organisation, Global Wage Report, 2010/2011; PwC/EBS Business School, S. 18). Interessante Rückschlüsse lässt auch der Ländervergleich in folgender Abbildung 1 (aus PwC/EBS Business School, S. 19) zu:

Dies ist umso bemerkenswerter, als Führungskräfte in der Logistik ihre Einkommen zwischen 2002 und 2012 bereits erheblich steigern konnten. Dabei ist die Gehaltsschere zwischen den ‚einfacheren‘ Funktionen und der Führungsspitze besonders ausgeprägt: Während die Mitarbeiter ohne Hochschulabschluss zwischen 2002 und 2012 nur ein Plus von 5 % erzielten, gelang es den Führungskräften, im selben Zeitraum ihre Gesamtvergütung um 44 % zu steigern. Für die Angestellten wiederum, die zwar einen Hochschulabschluss, aber keine Führungsverantwortung haben, erhöhte sich das Gehalt bis 2012 um rund 13 % (vgl. dazu im Einzelnen PersonalMarkt Services, S. 42ff.). Dazu im Überblick Abbildung 2:

Entwicklung der Gesamtvergütung in Logistikfunktionen

Berücksichtigt man den Umstand, dass Logistikdienstleister, die in die Pharmalogistik einsteigen und dort dauerhaft erfolgreich sein wollen, Mitarbeiter aus der pharmazeutischen Industrie für sich gewinnen müssen, um über das spezifische Know-how zu verfügen und dadurch als Dienstleister von der Industrie überhaupt erst akzeptiert zu werden, so machen die Zahlen deutlich, dass die Logistikdienstleister in Sachen Gesamtvergütung aktiv werden müssen. Wenn in anderen Bereichen deutlich mehr bezahlt wird, ist man im Wettbewerb um die besten Köpfe unter Zugzwang. Alternativ könnte man anstreben, sich in erster Linie auf die Rekrutierung jüngerer, noch am Beginn ihrer Entwicklung stehender Fach- und Führungskräfte aus der Pharmaindustrie zu konzentrieren, bei denen daher die Gehaltsunterschiede noch nicht so gravierend sind. Dies bedeutet aber zugleich, ein Weniger an professionellen Erfahrungen und spezifischem Know-how in Kauf nehmen zu müssen.

Besonders eklatant wird die Brisanz der Einkommensunterschiede, wenn man sich den konkreten Fall vor Augen führt, in dem der Dienstleiter die logistische Abwicklung für das Pharmaunternehmen übernimmt. Der Standortleiter und mithin Hauptverantwortliche auf Seiten des Logistikunternehmens wird im Durchschnitt eine Gesamtvergütung von zwischen 80.000 € und 120.000 € p.a. erhalten. Welche Folgen es für das Betriebsklima, die Motivation und die Führungskultur haben kann, wenn dem Team des Standortleiters z.B. ein aus einem großen Pharmaunternehmen stammender Qualitätsmanager mit einem Einkommen von über 150.000 € p.a. angehört, kann man leicht erahnen. Auf der anderen Seite liegt für das Pharmaunternehmen ein wichtiger Beweggrund der Ausgliederung der logistischen Abwicklung an einen externen Dienstleister (i.d.R. über ein Outsourcing im Wege des Betriebsübergangs nach § 613a BGB) darin, mittelfristig Einsparpotentiale zu erzielen, die sich zumindest auch aus den unterschiedlichen Einkommensniveaus der Branchen ergeben. Diese Konstellationen stellen besondere Herausforderungen dar, die sinnvollerweise nur im konstruktiven und ausgleichenden Dialog aller Beteiligten gelöst werden können.

Hilfreich bei der Bewältigung dieser Herausforderungen können die Agilität und in vielen Fällen mittelständische Kultur der Logistikdienstleister sein. In einem solchen Umfeld gibt es für Kandidaten deutlich größere Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten und schneller die Chance, echte eigene (Ergebnis-)Verantwortung zu übernehmen. Mit derartigen Umfeldfaktoren, die Kandidaten zunehmend wichtig sind und daher aus ihrer Sicht negative Vergütungsdifferenzen durchaus - zumindest teilweise - zu kompensieren in der Lage sind, können die Logistikunternehmen punkten und Führungskräfte gewinnen und - mindestens ebenso wichtig - halten. Häufig sind gerade Dienstleister mit der geschilderten Philosophie und Mentalität bevorzugte Partner großer Industriekonzerne, weil diese auf Seiten ihrer externen Partner gerade nicht mit denselben Problemen konfrontiert werden möchten, auf die sie in der eigenen Organisation immer wieder stoßen: starre Abläufe, zahlreiche Hierarchielevels und eingeschränkte Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit.

Case Study: Wie ein Mittelständler sich auf die Pharmalogistik ausrichtete und den Generationswechsel bewältigte

Pharma hat Potenzial

von Sebastian Bollig, in: Deutsche Verkehrszeitung Nr. 60/2016 vom 29.07.2016

(http://www.dvz.de/rubriken/landverkehr/single-view/nachricht/pharma-hat-potenzial.html)

Ein freiwilliger Rückzug aus dem operativen Geschäft ist für viele Unternehmer nicht einfach. „Ich habe nie vorgehabt, ewig die Verantwortung zu tragen“, betont jedoch Kurt Grieshaber. Deshalb hat er seine Nachfolge im Familienunternehmen gut vorbereitet. „Seit 2009 habe ich Zug um Zug operative Aufgaben abgegeben“, sagt der 72-Jährige. Ende vergangenen Jahres kam als letzter Schritt der komplette Rückzug aus dem operativen Geschäft.

Im Gegenzug ist sein Sohn Andreas Anfang des Jahres in den Vorstand aufgerückt. Er hat dort die Ressorts Marketing, PR und International Sales übernommen und zeichnet zudem für die internationale Unternehmensentwicklung verantwortlich. Andreas Grieshaber war viele Jahre als Berater und Medienmanager tätig, bevor er sich entschied, ins Familienunternehmen zurückzukehren.

Vor sieben Jahren hat Kurt Grieshaber zusammen mit seiner Führungsmannschaft klare Regeln für das Leadership aufgestellt. Denn obwohl die Familie weiterhin im Vorstand vertreten ist, wandelte sich das bis 2009 inhabergeführte in ein managementgeführtes Unternehmen. „Die neuen Regeln und die klare Aufteilung der Verantwortung waren wichtig für uns selbst, aber auch für unsere Mitarbeiter“, betont Toni Elbert, im Vorstand für die Bereiche Health Care Solutions, Technik und Einkauf sowie IT und Qualitätsmanagement verantwortlich.

Kurt Grieshaber hat sich mit Überlegung gegen einen Wechsel in den Aufsichtsrat entschieden. Der Rückzug aus „einem mit Vollgas geführten Unternehmerleben“ sei nicht leicht. Für Unternehmer gebe es zwei Möglichkeiten: entweder aus Neid, Angst und Missgunst die Jungen wegdrängen oder konsequent Verantwortung abgeben. Grieshaber hat sich für den zweiten Weg entschieden.

Der Zeitpunkt für den Rückzug aus dem operativen Geschäft war günstig. In den vergangenen fünf Jahren wurde in Infrastruktur, Mitarbeiter und Prozesse investiert. Das Unternehmen hat rund 40 Mio. EUR in Logistikanlagen für Pharmakunden investiert. „Unsere konsequente Ausrichtung auf Logistiklösungen für Pharma- und Health-Care-Kunden war ein entscheidender Schritt“, betont der Seniorchef. „Ohne diesen Wandel vom klassischen Anbieter von Transportlösungen zum Kontraktlogistiker wären wir einer von vielen, letztlich austauschbaren Dienstleistern geblieben.“

Zuletzt erwirtschaftete die Grieshaber Logistics Group noch ein Viertel des Umsatzes mit reinem Transportgeschäft. Ziel sei immer eine Verknüpfung von Logistik- und Transportaufträgen. „Auf diese Weise sind deutliche Synergieeffekte möglich“, betont Ulf Tonne, im Vorstand für Industry Solutions, Finanzen, Recht und Personal verantwortlich.

 

Frühzeitig in die Kontraktlogistik

Bereits Anfang der 1990er Jahre entschied sich Grieshaber für den Einstieg ins Logistikgeschäft. „Wir haben damals für einen Pharmagroßhändler und eine Papierfabrik die Logistik übernommen“, erinnert er sich. Direkt auf dem gegenüberliegenden Rheinufer auf Schweizer Seite gibt es die größte Konzentration der Pharmabranche in ganz Europa. Die Branche boomt derzeit, neue Arbeitsplätze und ein Pharmacluster entstehen. Davon profitiert auch die Logistik. „Im Pharmabereich sind erst 10 bis 15 Prozent der Logistik outgesourct“, weiß Elbert zu berichten. „Da ist noch viel Potenzial für uns.“ Zumal nicht jeder Dienstleister den teilweise sehr hohen Ansprüchen gerecht werden kann. Und der Kostendruck in der Pharmaindustrie steigt wegen auslaufender Patente und neuer Wettbewerber aus dem Generikamarkt.

Durch die frühe Ausrichtung auf die Pharmaindustrie hat die Grieshaber Logistics Group Kompetenz aufgebaut. Gesundheit, Schönheit, Dental- und Medizintechnik sind wesentliche Kernbranchen des Logistikdienstleisters. „Der Marktzugang ist nicht so einfach wie bei anderen Branchen“, bestätigt Kurt Grieshaber. „Dennoch schläft die Konkurrenz nicht.“

 

Hohe Personalkosten

Als Pharmalogistiker geht es nicht nur um Gebäude, sondern die gesamten Prozesse müssen stimmen. „Dieses umzusetzen hat bei uns viel Zeit gebraucht“, sagt Elbert. Etwa die Hälfte der Logistikosten beim Warehousing sind Personalkosten. Da hat es Grieshaber durch die Nähe zur Schweiz nicht leicht. „Ein Problem ist das hohe Lohnniveau“, bestätigt Andreas Grieshaber. Gerade gegen deutlich höhere Löhne in der schweizerischen Industrie kann ein deutscher Mittelständler nicht mithalten. Wichtig seien deshalb nicht-monetäre Anreize, um Mitarbeiter zu binden.

Das Unternehmen hat dafür unter anderem eine eigene Akademie gegründet, um Mitarbeiter aus- und weiterzubilden. Zudem werden im Unternehmen flache Hierarchien gepflegt. Andreas Grieshaber ist überzeugt: „Mitarbeiter, die eigenverantwortlich, teilweise sogar unternehmerisch tätig sein wollen, bleiben bei uns.“ Im Unternehmen seien Mitarbeiter nicht nur Nummern der Buchhaltung. So setzt sich das mittelständische Unternehmen von den schweizerischen Logistikunternehmen ab. „Trotzdem ist unser Lohnniveau immer noch höher als in den meisten Regionen Deutschlands“, sagt er.

Die Personalkosten bedeuten letztlich in der Kundenakquise eine klare Ausrichtung. „Es kann nicht der Grund für das Outsourcing von Logistik sein, dass günstigere Personalkosten möglich sind. Da sind wir der falsche Partner“, meint Elbert. In den Multiusercentern baut Grieshaber Mitarbeiterpools auf. Die Beschäftigten werden für die verschiedenen Projekte qualifiziert und geschult. Sie können dann je nach Bedarf – sogar nur für einige Stunden – für unterschiedliche Kunden eingesetzt werden. „Diese Synergieeffekte kann ein einzelnes Pharmaunternehmen gar nicht erzielen“, erläutert Elbert. Für saisonale Spitzen greift Grieshaber auf Mitarbeiter aus dem eigenen Personalpool zurück. Es gibt immer wieder Phasen, in denen die Belegschaft weniger zu tun hat. Beim Dienstleister müssen diese Spitzen und Leerläufe über mehrere Aufträge hinweg ausgeglichen werden.

Wichtiges Thema war zuletzt die neue GDP-Richtlinie. Die Good Distribution Practice (GDP) gilt künftig auch für Pharmawirkstoffe. Viele Transporte müssen temperaturgeführt durchgeführt werden. „Deshalb steigt in diesem Bereich unser Volumen“, erläutert Tonne. Grieshaber betreibt gemeinsam mit Partnern ein europaweites Netz für temperaturgeführte Transporte. Für GDP-Transporte sei ein erheblicher Qualitätssprung erforderlich. „Es gibt auf dem Markt nur eine sehr begrenzte Anzahl an Speditionen, die solche Transporte erledigen können“, meint Tonne. Das birgt weiterhin Wachstumspotenzial für das Unternehmen.

Grieshaber Logistics
Der Logistikdienstleister aus Bad Säckingen hat 2015 einen Umsatz von 55 Mio. EUR erreicht. An sieben Niederlassungen beschäftigt Grieshaber Logistics mehr als 500 Mitarbeiter, davon rund 400 in der Kontraktlogistik. Mehr als 140.000 m² Logistikfläche werden bewirtschaftet. Der Fuhrpark ist auf derzeit 35 eigene LKW (inkl. Shuttleverkehre) geschrumpft. Es besteht jedoch ein Netzwerk mit mehr als 100 Partnerunternehmen.

3. Erfolgreiche Personalgewinnung

3.1 Überblick

Branchenunabhängig werden die verschiedensten Wege zur Personalgewinnung genutzt. Sie reichen von der - fast schon völlig bedeutungslos gewordenen - Print-Anzeige und Online-Anzeigen auf der Unternehmenswebsite oder auf Job-Portalen über den Einsatz von Social Media (vgl. in diesem Zusammenhang zum Einsatz von Bewerbungs- bzw. Selbstdarstellungsvideos auf Plattformen wie LinkedIn: Wie die Bewerbung per Video klappt - und wie nicht, Die Welt Kompakt vom 26.8.2016, S. 23) und die Aktivierung der eigenen Mitarbeiter für die Gewinnung neuer Kollegen gegen eine Bonuszahlung bis hin zum Einsatz professioneller Personalberater. Jede Suchmethode hat ihr Für und Wider. Entscheidend für die Wahl des richtigen Ansatzes dürfte vor allem sein, um eine Besetzung auf welcher Ebene und mit welchem Verantwortungs- und Einflussbereich es sich im konkreten Fall handelt. Geht es um die langfristige, nachhaltige Gewinnung von oberen und obersten Führungskräften, deren Aufgabe die (mit-)verantwortliche Führung sowie strategische und/oder operative Weiterentwicklung eines Pharmalogistikunternehmens und dessen Leistungsportfolios ist, so ist der erfolgversprechendste Weg derjenige, die Suche als Prozess der Direktansprache von Kandidaten einer etablierten, renommierten Executive Search-Beratung anzuvertrauen, nicht zuletzt deshalb, um absolute Diskretion, Neutralität und Unabhängigkeit sowie höchste Qualität sicherzustellen.

Darüber hinaus ermöglicht die Zusammenarbeit mit einer solchen Beratung auf effektive Weise die gezielte Ansprache von Kandidaten im Ausland. Dadurch werden zusätzliche Ressourcen erschlossen und das Suchfeld erweitert, ganz zu schweigen von dem Mehrwert, den Kandidaten aus dem Ausland oder mit im Ausland gesammelten Managementerfahrungen dem suchenden Unternehmen bieten.

Bei der Auswahl des Executive Search-Partners stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, sich für eine Beratungsgesellschaft zu entscheiden, die auf eine bestimmte Branche, hier die Logistik, spezialisiert ist. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass eine Personalberatung ihr Mandat immer nur dann seriös und ohne Interessen- und Loyalitätskonflikte erfüllen kann, wenn sie in einer bestimmten Branche nicht zu breit vertreten ist. Denn anderenfalls wären für diese Beratungsgesellschaft zu viele Unternehmen als Zielunternehmen gesperrt, wäre der Kreis der ansprechbaren Führungskräfte arg limitiert. Am sinnvollsten erscheint daher die Entscheidung für eine Personalberatung, die über solide, tiefe und detaillierte, idealerweise aus eigener Managementerfahrung des Beraters gewonnene Kenntnisse der Logistikbranche verfügt, zugleich aber auch in nennenswertem Umfang Unternehmen anderer Branchen berät. Dies hat zudem den Vorteil, dass ein leichterer Zugang auch zu potentiell in Frage kommenden Kandidaten aus anderen Branchen besteht und diese leichter für eine Tätigkeit in der Logistik gewonnen werden können (vgl. dazu oben 2.1).

Aus diesen Gründen konzentriert sich die Darstellung im folgenden auf die Personalgewinnung durch Einschaltung einer Executive Search-Beratung, die im Wege der Direktansprache interessante Kandidaten identifiziert, anspricht und für das jeweilige Unternehmen gewinnt.

 

3.2 Projektschritte eines Executive Search-Prozesses

Der gesamte Beratungsprozess im Rahmen eines Suchmandats ist auf die Besetzung von Management-Positionen im Wege der Direktansprache von potentiell geeigneten Kandidaten abgestimmt und geht sehr individuell auf die jeweilige Situation des suchenden Unternehmens ein.

 

3.2.1 Erarbeitung des Anforderungsprofils

Grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Suche und die darauf basierende Besetzung der jeweils in Rede stehenden Führungsfunktion ist die ge­meinsame Definition der fachlichen, persönlichen und unternehmenskulturellen Anforderungen an einen zukünftigen Stelleninhaber. Neben den üblichen Kriterien ist hier insbesondere eine präzise Kenntnis der aktuellen Situation des Unternehmens, seiner Vision und Strategie sowie der zukünftigen spezifischen Her­ausforderungen des Unternehmens wichtig. Zusätzlich ist ein Verständnis der Unternehmenskultur und der Persönlichkeiten der übrigen Mitglieder des Managements bzw. des Führungsteams des konkreten Verantwortungsbereichs sowie ggf. auch der Gesellschafter unerlässlich für die Auswahl eines Leistungsträgers. Externe Kandidaten können ihre volle Leistung zukünftig nur dann erbringen, wenn sie zur Kultur des Unternehmens passen. Auf der Grundlage all dieser Informationen erstellt der Berater ein schriftliches Funktionsprofil, das mit dem Unternehmen abgestimmt und von diesem freigegeben wird.

 

3.2.2 Identifikation potentieller Kandidaten

Nach der Definition des Anforderungsprofils erfolgt die Identifikation möglicher Kandidaten. Da jede Suche auf Führungsebene individuell erfolgen muss, muss auch die Identifikation geeigneter Kandidaten individuell durchge­führt werden und kann sich daher nicht auf eine reine Datenbankrecherche beschränken.

Es sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass generell die Bedeutung von Datenbanken in einem Suchprozess überschätzt wird. Denn zum einen ist es realistischerweise nicht möglich, eine Datenbank mit mehreren zehntausend Kandidatenprofilen konstant auf dem aktuellen Stand zu halten. Zum anderen, und das ist der wesentliche Aspekt, lässt die Reduzierung eines Suchprozesses auf eine Datenbankrecherche vollkommen die Besonderheit des konkret suchenden Unternehmens im Hinblick auf Ausrichtung, Kultur, Zuschnitt der Funktion und fachliche Erwartungen an den Kandidaten außer Acht. Ein ‚Head of Business Development Pharma Logistics‘ in Unternehmen A muss eben nicht die identischen Anforderungen erfüllen wie ein möglicherweise gleichlautend bezeichneter Manager in Unternehmen B.

Eine in dem geschilderten Sinn individuell zugeschnittene und spezifisch ausgestaltete Suche nutzt intelligente Werkzeuge und Ansätze, die weder dem suchenden Unternehmen selbst zur Verfügung stehen noch mit Hilfe anderer Suchmethoden umsetzbar sind. Dabei kommt es darauf an, insbesondere auf solche möglichen Kandidaten aufmerksam zu werden, die nicht aktiv auf der Suche nach einer neuen Herausforderung und daher i.d.R. besonders interessante Kandidaten sind.

 

3.2.3 Ansprache und Motivation von Kandidaten

Einer der wichtigsten Schritte innerhalb der Suche ist die persönliche Ansprache der erfolgversprechendsten Kandidaten auf Augenhöhe. Ziel ist es dabei, diese Kan­didaten zu motivieren, über einen Wechsel zu dem konkreten Unternehmen nachzudenken, und für eine derartige Veränderung zu gewinnen. Da wirkliche Leistungsträger erfahrungsgemäß mehrere Optionen haben, liegt hier der Schlüssel für die erfolgreiche Besetzung der Funktion mit einem Top-Kandidaten. Die Ansprache muss daher auf einer extrem vertrauensvollen Basis und auf der Grundlage umfassender Detailkenntnisse des ansprechenden Beraters erfolgen. Die Kandidaten sollten auch aktiv im Hinblick auf ihre Karriere beraten werden, um die Sinnhaftigkeit eines Wechsels zu unterstreichen.

 

3.2.4 Selektion der Kandidaten

Nach der Gewinnung der Kandidaten erfolgt die Selektion der besten Kandidaten durch Analyse der Unterlagen, intensive und differenzierte persönliche Interviews sowie ergänzende psychometrische Tests. Abgeschlossen wird die Selektion durch die Erstellung aussagekräftiger, vertraulicher Kandidatenberichte inklusive klarer Beurteilungen und Empfehlungen sowie der vertraglichen Konditionen derjenigen Kandidaten, die dem Unternehmen vorgestellt werden.

 

3.2.5 Präsentation und ‚Lackmustest‘

Der erste Kontakt zwischen suchendem Unternehmen und Kandidaten findet während der Präsenta­tion geeigneter Kandidaten vor Ort bei dem Unternehmen statt. Im Rahmen eines ersten persönlichen Kennenlernens erfolgt insbesondere ein ‚Lackmustest‘ in Bezug auf die gemeinsame ‚Chemie‘ und Philosophie zwischen Management und Kandidaten. Insbesondere in Familienunternehmen empfehlen sich in der Folge neben weiteren Fachgesprächen auch Gesprä­che in informellerem Rahmen und/oder ggf. mit dem/-r Partner/-in der/-s Kan­didatin/-en, um die Persönlichkeiten umfassend kennenzulernen. Häufig schließt sich das Einholen aussagekräftiger Referenzen durch den Berater an.

 

3.2.6 Verhandlung und Vertragsunterzeichnung

Nach Priorisierung der vorgestellten Kandidaten wird mit dem präferierten Kan­didaten über einen Vertrag verhandelt. Zur Vorbereitung konkreter Verhandlun­gen erfolgt die Aufbereitung von bestehenden Gehältern und Gehaltsbestand­teilen sowie von zukünftigen Gehaltsvorstellungen. In dieser Phase ist es beson­ders wichtig, eine für beide Seiten faire Lösung zu finden. Bei einer Übervortei­lung einer Seite besteht langfristig erfahrungsgemäß das Risiko aufkommender Konflikte.

 

3.2.7 Begleitung vor und nach dem Start (‚Onboarding‘)

In der Phase zwischen Vertragsunterschrift und Arbeitsbeginn, die sich nach der jeweiligen Kündi­gungsfrist des Kandidaten richtet, werden sowohl der zukünftige Stelleninhaber als auch das suchende Unternehmen kontinuierlich weiter von dem Personalberater betreut. Nach Antritt der Position ist ebenfalls eine enge Zusammenarbeit des Beraters mit allen Beteiligten sehr wichtig, um den Einstieg und die konkrete Arbeit zu erleichtern. Qualitätssichernde Maßnahmen wie etwa Gespräche des Beraters mit dem (neuen) Vorgesetzten und dem (früheren) Kandidaten nach dessen Arbeitsantritt stellen ein gelungenes Einphasen der neuen Führungskraft sicher.

 

4. Fazit

Sowohl die Herausforderungen als auch die Chancen der Personalgewinnung in der Pharmalogistik sind gewaltig. Die Herausforderungen werden determiniert von den besonderen Anforderungen der pharmazeutischen Industrie als Kundenbranche einerseits wie auch von dem Umfeld, dem sich die Logistik insgesamt ausgesetzt sieht, andererseits. Die Chancen liegen insbesondere in der spezifischen Kombination beider Wirtschaftsbereiche in der Erbringung immer weiterreichender logistischer Dienstleistungen für eine aus Kandidatensicht hochattraktive Branche durch intelligente, agile und unabhängige Logistics Services Provider. Dadurch lassen sich zielgerichtet und zielführend Stärken und Schwächen beider Seiten kompensieren bzw. komplementär zum Erfolg führen. Wie sich gezeigt hat, ist die gezielte Suche und Besetzung oberer und oberster Führungspositionen im Wege der Direktansprache durch eine professionelle, etablierte und renommierte Executive Search-Beratung in der Lage, maßgeblich dazu beizutragen, die Herausforderungen zu bewältigen und die Chancen zu nutzen.

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Spiggelkötter, N., Der Logistikdienstleister als Pharmalogistiker: Anforderungen, Risiken und Chancen, in: Wimmer, T./Hucke, S. (Hrsg.), Eine Welt in Bewegung, Kongressband zum 32. Deutschen Logistik-Kongress, Bremen, Berlin, Hamburg 2015, S. 479-500

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o.V., Wie die Bewerbung per Video klappt - und wie nicht, Die Welt Kompakt vom 26.08.2016, S. 23

Dr. Ulrich Lohaus

Ulrich Lohaus studierte Rechtswissenschaften und promovierte im Wirtschaftsrecht. Anschließend arbeitete er zunächst langjährig für einen international agierenden Logistik-Konzern, zuletzt als Vertriebsgeschäftsführer und Mitglied des European Board. Im Anschluss wechselte er zu einer Unternehmensgruppe der chemischen bzw. grafischen Industrie und war dort Geschäftsführer der Holdinggesellschaft und zugleich operativ verantwortlicher Spartengeschäftsführer. Seit 2008 ist er im Top Executive Search tätig, seit mehreren Jahren als Partner/Gesellschafter bei Interconsilium in Düsseldorf.