Alles, was zählt, ist die Intuition

Dr. Viebahn, Führung, Organisation

Alles, was zählt, ist die Intuition. Der intuitive Geist ist ein Geschenk, der rationale Geist ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.”

Albert Einstein
zitiert von Prof. Gerd Gigerenzer

Von Dr. Marc Viebahn

Mit seiner wissenschaftlichen Forschung widmet sich Gerd Gigerenzer intensiv dem Entscheidungsverhalten von Managern, Richtern und Ärzten. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Forschung liegt in der Untersu­chung von unter Unsicherheit und Zeitdruck getroffe­nen Entscheidungen sowie der Verbesserung von Risikokompetenz/-kommunikation.

Mit Interconsilium spricht er darüber, was genau Intuition ist, welche wissenschaftliche Basis es für Bauchentscheidungen gibt und wie Führungskräfte für ihre Entscheidungen einfache Heuristiken bewusst nutzen können.

INTERCONSILIUM: Herr Professor Gigerenzer, Sie beschäftigen sich wissen­schaftlich mit dem Thema Intuition. Wie kommt man als Wissenschaftler auf das Thema Intuition?

GIGERENZER: Ganz einfach. Ich war früher in den USA an der Univer­sity of Chicago, einer der besten Universitäten der Welt. Ich bin einer der wenigen Wis­sen­schaftler, die nach Deutschland zu­rückge­kommen sind. Am Max-Planck-Institut mache ich jetzt das, was man bei uns Spit­zenforschung nennt. Wenn man For­schung machen möchte, die sich von dem Mainstream abhebt, dann reicht es nicht, wenn man gute Methoden hat, wenn man sorgfältige Experimente plant und Com­puteranalysen erstellt oder ma­thematische Gleichungen hinschreibt. Vielmehr muss man auch Intuition haben. Intuition in der Forschung bedeutet, dass man spürt, was ein neues Thema, ein neuer Weg oder eine Analogie wäre für das, was man zu ver­stehen ver­sucht. Somit ist natürlich erst einmal das bessere Verständnis von Intuition an sich von zentraler Bedeutung für die bewusste Nutzung von Bauchgefühlen; ganz egal, ob es sich um einen Einsatz in der Wissen­schaft, Wirtschaft oder an­dere Bereiche handelt.

INTERCONSILIUM: Um es mit Einstein zu sagen: Sie beschäftigen sich mit dem 1% Inspiration, das den Erfolg ausmacht.

GIGERENZER: Ja, Einstein hat einmal gesagt: "Die Ratio ist der Diener der Intui­tion." Wir leben aber in einer Gesellschaft, die den Diener zum Herrn gemacht hat. Wir brauchen aber beides. Wir brauchen einerseits eine gute Intuition. Und wir brauchen andererseits gute Methoden, um die intuitiven Erkenntnisse abzuklopfen. Es ist also nie Kopf oder Bauch. Es ist im­mer beides.

VITA  Prof. Gerd Gigerenzer

Prof. Gerd Gigerenzer ist seit 1997 Direk­tor am Max-Planck-Institut für Bildungs­forschung in Berlin sowie des 2009 in Berlin gegründeten Harding Zentrum für Risikokompetenz. Er war vorher u.a. Pro­fessor an der University of Chicago und John M. Olin Distinguished Visiting Professor an der School of Law der Uni­versität von Virginia. Darüber hinaus ist er Batten Fellow der Darden Business School der Universität von Virginia so­wie Mitglied der Berlin-Brandenbur­gi­schen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und der Deutschen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina).

INTERCONSILIUM: Was genau verste­hen Sie unter Intuition oder Bauchgefühl?

GIGERENZER: Intuition kann man durch drei Eigenschaften definieren. Es ist gefühltes Wissen (1), das sehr schnell im Bewusstsein ist (2), für dessen Gründe wir aber keine Erklärung haben (3). Dieses gefühlte Wissen steuert dennoch vieles von unse­rem professionellen und privaten Han­deln. Es ist aber kein sechster Sinn. Es ist auch keine göttliche Eingebung. Und es ist auch nichts, was allein Frauen zu eigen ist. Vielmehr ist es gefühltes Wissen. Wir er­forschen hier, wie diese unbewusste Intel­ligenz funktioniert. Oft beruht diese auf erstaunlich einfachen Heuristiken. Das sind einfache Regeln, die die Kunst be­herrschen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und den Rest zu ignorieren. Das steht im Gegensatz zur normalen Ent­scheidungstheorie, nach der man alle Op­tionen und alle Konsequenzen bewerten sollte.

INTERCONSILIUM: Wie bekommt man denn eine gute Intuition? Kann ich sie trainie­ren?

GIGERENZER: Intuitionen beruhen in der Regel darauf, dass Menschen sehr viel Erfahrung in einem Bereich haben. Die intuitiven Regeln sind ihnen aber nicht bewusst. Genau wie ein Baseballspieler eine ganz einfach Regel verwendet, um einen Ball zu fangen, ohne diese explizit zu kennen. Er fokussiert den Ball mit den Augen und läuft gerade so schnell, dass er den fliegenden Ball immer im gleichen Blickwinkel sieht. Das ist eine "Blick-Heu­ristik", die man auch bewusst trainieren kann. Luftfahrtgesellschaften nutzen ge­nau diese Heuristik und trainieren damit ihre Piloten. In einer Notsituation wie dem „Wunder vom Hudson River“, wo die Piloten abschätzen mussten, ob sie es zurück zum Flughafen schafften, wird diese Heuristik eingesetzt. Diese Piloten fixieren den Tower an einem Punkt auf der Frontscheibe. Bleibt der Tower auf dieser Position oder sinkt er im Fenster, so kann der Flughafen erreicht werden. Geht die Position des Towers auf der Scheibe nach oben, dann schafft der Pilot es nicht, den Flughafen zu erreichen und muss Al­ternativen angehen. Das sind einfache Bei­spiele, wie man Intuitionen und intuitive Regeln herausarbeiten, bewusst nutzen und trainieren kann.

INTERCONSILIUM: In welchen Situatio­nen sind Intuitionen denn grundsätzlich rationalen Entscheidungen überlegen?

GIGERENZER: In einer Welt mit be­kannten Risiken, wie z.B. im Kasino oder in der Lotterie, brauchen Sie keine Intuitio­nen. Sie wissen genau, welche Ausgänge Ihr Spiel haben kann. Sie brau­chen hier ein wenig Wahrscheinlichkeits­theorie und können die Risiken berech­nen. Wir leben aber in einer Welt, in der wir nicht alle möglichen Ergebnisse oder Einflussfakto­ren kennen. Wir leben in einer Welt voller Unsicherheit. Hier reicht diese Art der Berechnung nicht aus. Hier brauchen Sie auch Intuition. Man muss sich also immer überlegen, in welcher Entscheidungssituation man sich gerade befindet. Wenn Sie bei­spielsweise die typischen Methoden, die MBA-Studenten zur Beurteilung von In­vestitionsentschei­dungen lernen, in der realen Welt alleine zur Bewertung von Investitionen anwen­den, dann machen Sie den Sprung von der Welt bekannter Risi­ken, für die die Mo­delle gebaut sind, in die Welt unbekannter Risiken. Unter Un­sicherheit stimmen dann aber häufig die eigentlichen Vor­raussetzungen für die An­wendung der Modelle nicht mehr. Dessen muss man sich bewusst sein. In der realen Welt mit Unsicherheit können dann wiederum In­tui­tion und einfache Heuristiken sehr hilf­reich sein.

Intuition ist gefühltes Wissen
dessen Gründe uns nicht bewusst sind.”

INTERCONSILIUM: Gibt es denn allge­meingültige Heuristiken, die man nutzen kann?

GIGERENZER: Nein, das ist wie eine Tool-Box. Wir verwenden den Begriff Adaptive Toolbox. Es gibt ja auch kein all­gemeingültiges Werkzeug. Es gibt nicht nur einen Hammer. Der würde nur Sinn machen, wenn die Welt aus lauter Nägeln bestünde. Genauso wenig gibt es eine analytische Methode, die für alles funk­tioniert. Es gibt zwar immer Leute, die von einer solchen Methode träumen. Diese funktioniert aber immer nur dann, wenn man die Unsicherheit der wirkli­chen Welt nicht zur Kenntnis nimmt. Es gibt jedoch Heuristiken, die sich relativ all­gemein anwenden lassen. Ein Beispiel für die Lösung von Verteilungsproblemen wäre die Verteilung nach 1/n, also verteile gleichmäßig. Mit dieser einfachen Heu­ristik können Sie als Alternative zu kom­plexen Verteilungsmodellen, wie z.B. zur Markowitz-Optimierung, Geld investieren oder aber ihre Freizeit auf ihre Kinder verteilen. Solche Heuristiken gibt es für viele Probleme.

INTERCONSILIUM: Wir haben in unse­rer Suche nach Führungskräften eine be­währte Heuristik, die lautet: der Erfolg in der Vergangenheit in einer vergleichbaren Position ist bestes Indiz für den Erfolg in der Zukunft.

GIGERENZER: Das ist sicherlich eine vernünftige Heuristik und viel besser als ein Assessment-Center und psycho­metri­sche Tests, die überschätzt werden. Wenn man einen tieferen Blick in die Psy­cholo­gie wirft, dann wird man merken, dass seit über einhundert Jahren die Kor­rela­tion zwischen Persönlichkeitszügen und tatsächlichem Verhalten bzw. Erfolg von Personen äußerst gering ist. Einer der Gründe liegt darin, dass ein Mensch eben nicht wie ein Gegenstand ist, der festge­legte Eigenschaften hat wie Größe, Farbe und Material. Menschen arbeiten mit wechselnden Strategien der Interaktion mit Anderen und der Welt. Das können Sie nicht auf stabile Faktoren reduzieren.

INTERCONSILIUM: Gerade die Be­triebswirtschaftslehre hat ja zunehmend versucht, Rationalitätssicherung zu betreiben und die von Ihnen schon ge­nannte klassische Entscheidungstheorie dabei forciert. Die Welt wurde in immer komplexere Optimierungs-Modelle ge­packt. Sehen Sie etwa derzeit eine Öff­nung der Wirtschaft der Intuition gegen­über?

GIGERENZER: Also mein Buch "Bauchentscheidungen" hat in Deutsch­land den Preis für das beste Wissen­schaftsbuch bekommen, aber in der Schweiz den Preis für das beste Wirt­schaftsbuch. Zumindest in der Schweizer Wirtschaft wird der Zusammenhang er­kannt. Aber ich halte auch in Deutschland sehr viele Vorträge vor Unternehmen und ma­che Untersuchungen mit Unterneh­men. Viele Manager sind geradezu er­leichtert zu hören, dass es eine wissen­schaftliche Basis gibt für das, was sie füh­len und dann verbergen müssen, weil sie es eben nicht erklären können. Bei Be­rechnungen ist das anders. Die kann man erklären. Es bedarf daher einer Änderung der Kultur im Umgang mit Intuition, diese Änderung fällt den eher rationalen Deutschen viel­leicht nicht so leicht.

Bauchentscheidungen können betriebswirtschaftlich sehr sinnvoll sein.”

INTERCONSILIUM: Ist denn intuitives Handeln auch unter betriebswirtschaftli­chen Gesichtspunkten überhaupt sinn­voll?

GIGERENZER: Definitiv. Man muss sich immer die Frage stellen, in welcher Situation lohnt es sich, mehr Daten zu ha­ben und mehr Berechnungen anzustellen und wann lohnt es sich eben nicht. Kom­plexe Berechnungen und Modelle sind oft auch Augenwischerei. Sie geben Scheinsi­cherheit und kosten viel Zeit und Geld. Zudem werden sehr viele komplexe Be­rechnungen nicht angestellt, weil man damit bessere Vorhersagen macht, son­dern weil man quasi emotionale Probleme löst. Bei Managern ist eine häufige, reflex­artige Reaktion auf ihre Bauchentschei­dungen, dass sie versuchen, diese zu ver­bergen. Sie suchen im Nachhinein nach Begründungen dafür oder stellen Bera­tungsfirmen ein, die auf zweihundert Seiten eine solche Be­gründung liefern und das ganze dann als rationale Entscheidung mit Daten präsen­tieren. Das ist eine Ver­schwendung von Zeit, Geld und Intelli­genz. Dies passiert häufig in Unterneh­men, die nicht eigentü­mergeführt sind. Bei Familienunterneh­men findet man die Angst vor Bauchent­scheidungen nicht so.

INTERCONSILIUM: Bauchentscheidun­gen können also betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, brauchen aber Mut?

GIGERENZER: Natürlich. Sie tragen die gesamte Verantwortung, wenn Sie sich hinstellen und sagen: Auf Grund meiner Erfahrung spüre ich das. Ich kann es aber nicht begründen.

INTERCONSILIUM: Was würden Sie einer Führungskraft, einem Unternehmer raten, wie er mit dieser Situation und auch mit der notwendigen Kommunikation umgehen soll?

GIGERENZER: Vielen Managern hilft es schon zu erfahren, dass es eine wissen­schaftliche Basis für Intuition gibt. Dann können sie für ihren eigenen Bereich den Umgang mit Intuition bewusst gestalten. Der Umgang wird ganz unterschiedlich aussehen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: ich wurde von einem Bankenvorstand gebe­ten einen Vortrag über Bauchentschei­dungen für die Kunden der Bank zu hal­ten. Einen Monat später ruft der gleiche Vorstand wieder an und sagte, dass sie auch für das eigene Vorstandsgremium aus meinem Vortrag etwas Entscheiden­des gelernt hätten. Falls bisher einer der fünf Vorstände bei wichtigen Investitions­entscheidungen ein negatives Bauchge­fühl hatte, musste derjenige den Anderen jeweils seine Gründe darlegen. Dabei hat er dann irgendwelche Gründe konstruiert, und diese wurden anschließend in der Diskussion zersägt. Jetzt gehen sie anders vor. Wenn jemand ein negatives Bauchge­fühl hat, dann macht es keinen Sinn, ihn zu fragen: Warum? Er wird es nicht be­gründen kön­nen, da er es selbst nicht bewusst weiß. Vielmehr stellen sich alle Vorstandsmit­glieder jetzt gegenseitig eine andere Frage: Ist der mit dem negativen Bauchgefühl derjenige von uns, der die meiste Erfah­rung mit dem entsprechen­den Thema hat? Wenn ja, dann stellen sie keine weiteren Fragen zu den Gründen für das Bauchge­fühl mehr, sondern su­chen sich stattdes­sen eine andere Investi­tion. Wenn das ne­gative Bauchgefühl nicht von demjenigen mit der meisten Er­fahrung in diesem Ent­scheidungsbereich stammt, dann investie­ren sie in die aktuell zu entscheidende Möglichkeit. Das ist ein Beispiel dafür, dass man nicht nur lernen kann, auf die eigene Intuition zu hören, sondern sich auch zu überlegen, wie man das eigene Verhalten dahingehend verbessern kann, eine Intuition aktiv zu nutzen.

Das Management sollte sich den offenen Umgang mit Intuition bewusst machen.”

INTERCONSILIUM: Wie lautet Ihr Plä­doyer an die Führungskräfte für den Um­gang mit Bauchentscheidungen, um sich selber und somit die Unternehmen zu verbessern?

GIGERENZER: Sie sollten anfangen, selbst über die Akzeptanz und den Um­gang mit Intuitionen nachzudenken. In vielen Unternehmen ist das ein Tabu­thema. Weniger tabuisiert werden Bauch­gefühle allerdings in Familienunterneh­men. Nach meinen Untersuchungen wer­den in Dax-Unternehmen vielleicht 50% aller professionellen Entscheidungen am Ende durch Bauchentscheidungen getrof­fen. Man tut es also ständig, aber man spricht nicht darüber. Zunächst muss also die Angst vor der Intuition beiseite gelegt werden, und man sollte wirklich rational an die Sache mit der Intuition herangehen. Dann kann man sich überlegen, wie man die negativen Konsequenzen dieses ängstlichen Umgangs mit guten Intuitio­nen beseitigen kann, wie z.B. im Nachhi­nein mit viel Zeit und Geld nach Gründen zu suchen, die gar nicht relevant sind. Oder indem man viel Geld ausgibt, um seine Entscheidungen einfach nur abzusi­chern. Oder noch viel schlimmer, indem man z.B. in der Personalauswahl eine in­tuitiv richtige Person erst gar nicht nimmt, weil man sein gute Bauchgefühl nicht er­klären kann und stattdessen eine zweit- oder drittklassige Person einstellt, die sich aber besser begründen lässt. Das kann eine Person sein, das kann eine Investition sein, das kann aber auch eine strategische Richtungsop­tion sein. Das nennt man dann defensives Entscheiden. Man sichert sich so selber ab und schadet aber dem Unternehmen.

INTERCONSILIUM: Sie wären also ganz bei der Definition von Leadership Robert Kaplans, der sagt: Führung bedeutet zu entscheiden, woran man glaubt und den Mut zu haben, dementsprechend zu han­deln?

Bauchentscheidungen brauchen Mut.”

GIGERENZER: Dem kann ich nur zu­stimmen. Wobei es so ist, dass das Um­feld, in dem viele Führungskräfte arbei­ten, das oft nicht so zulässt. Hier braucht man einen Geist, eine Kultur in einer Firma, die anders ist als eine Kultur, in der viele nur "cover your ass" spielen.

INTERCONSILIUM: Kann man messen, dass Unternehmen mit einer von Ihnen beschriebenen Kultur erfolgreicher sind?

GIGERENZER: Sie sehen an einigen Indizes, dass Familienunternehmen län­gerfristig planen, mit mehr Bauchent­scheidungen arbeiten und eine bessere Fehlerkultur haben und somit langfristig erfolg­reich sind. Große Firmen, was wir jetzt gerade wieder insbesondere bei gro­ßen Banken gesehen haben, haben oft eine sehr riskante Vorgehensweise. Dort ver­deckt man viele Intuitionen mit komple­xen Berechnungen. Das sind dann wieder Methoden, die in der Theorie und einer Welt bekannter Risiken sehr gut funktio­nieren, in der wirklichen Welt aber je nach Situation versagen können. Ein Grund für die Probleme ist eben, dass der Mensch auf Methoden setzt, die anscheinend ob­jektiv sind, die aber nachweislich keine Sicherheit geben, sondern eine Illusion von Gewissheit suggerieren, die zerplat­zen kann. Wenn man nach unserer For­schung vorgehen würde, dann würde man nicht versuchen, ein komplexes Problem durch ein komplexes Modell an­zugehen, sondern erst einmal die Frage nach einer einfachen Lösung stellen. Ge­nau wie bei dem Baseball-Spieler. Genau wie 1/n, was mindestens so gut ist wie die Markowitz-Optimierung. In unserer Un­tersuchung war 1/n besser. Ich arbeite ge­rade an einem Projekt mit der „Bank of England“, das heißt: „Simple Heuristics for a Safer World.“ Das ist die Idee. Kön­nen wir einfache Regeln finden, die mehr Sicherheit in die Welt bringen als die komplizierten? Nehmen Sie doch Basel III als Beispiel, dessen Konsequenzen nach meinen Interviews mit Bankern so gut wie niemand versteht. Ich habe zumindest noch keinen gefunden. Man hat hier wie­der die Situation, dass man versucht, alles irgendwie zu beachten. Dadurch schafft man ein hoch parametrisiertes System, das wiederum viele Schlupflöcher bringt und das nicht vorhersagbar wird.

INTERCONSILIUM: Man schiebt die Unsicherheit ins Modell. Damit ist sie zwar nicht mehr sichtbar, aber auch nicht weg.

GIGERENZER: Genau.

Dr. Marc Viebahn

Nach Strategieberatung und Gründung eines Online-Unternehmens seit 2007 mit Leib und Seele Executive Search Berater.

Hier vertrauen ihm große Familienunternehmen und Family Offices.