Be professionally emotional

Dr. Viebahn, Family-owned companies, Management, Organization

“Be professionally emotional – treat you company like family and you family like a company.”

Professor Randel Carlock

By Dr. Marc Viebahn

Randel Carlock is one of the leading business family advisor and impassionately working with families around the world. Born and raised in the USA Carlock is teaching family business at INSEAD Business School in Fontainebleau and Singapore. He successfully combines management techniques with ideas form family therapy in order to secure long term success of family businesses and business families.

Randel Carlock talks about the importance of planning für the family business and the business family. In cooperation with Professor John L. Ward  form the Kellog Business School he developed the Parallel Planing Process in order to ensure the long term, value based entrepreneurial spirit of the families.

INTERCONSILIUM: Sie haben selbst mehr als ein Unternehmen gegründet. Sie haben als externer Manager für Target gearbeitet, ein an der NYSE gelistetes Fa­milienunternehmen. Sie erforschen seit Jahren Familienunternehmen. Und Sie beraten Unternehmerfamilien in der gan­zen Welt. Was macht für Sie die Faszi­na­tion an Familienunternehmen aus?

 

Randel S. Carlock: Es ist wohl die an­spruchsvollste akademische Disziplin, die an Universitäten gelehrt wird. Der Fokus liegt nicht nur auf den harten Fakten und Management-Faktoren. Die menschlichen, psychologischen und sozialen Aspekte sind hier gleichermaßen wichtig. „Family Business” ist damit die einzige Disziplin, die diese so unterschiedlichen Welten in der tiefen Interaktion zwischen Familie und Unternehmen vereint. Daher ist es das herausforderndste Feld, in dem ich jemals gearbeitet habe.

 

INTERCONSILIUM: Der Titel Ihres ak­tuellsten Buches lautet “When Family Businesses are Best.” In diesem Buch be­schreiben Sie zwei Ideen, mit denen Fami­lienunternehmen ihre Stärke entwickeln können. Die erste, “Stewardship”, ist eine Art Grundeinstellung im Umgang mit einem Unternehmen. Die zweite, der “Pa­rallel Planning Process”, ist eher ein prak­tisches Werkzeug für Unternehmerfami­lien. Was ist Stewardship und warum ist es so wichtig?

 

Randel S. Carlock: Stewardship bedeutet, dass ich einen Gegenstand, ein Unter­nehmen oder eine Familie in einem besse­ren Zustand weiterreiche, als ich es erhal­ten habe. Es geht hier um Geschäftsergeb­nisse und Nachhaltigkeit, um Leistungs­fähigkeit einer Familie und um Harmonie. So gerne wir es auch vorgeben, es ist nicht immer die primäre Motivation von CEOs börsennotierter Unternehmen. Diese sind viel stärker auf kurzfristige Gewinne aus­gerichtet, weil so ihr persönliches Ergeb­nis gemessen wird. Stewardship ist jedoch ein wichtiger Kern erfolgreicher Familien. Es generiert eine Einstellung, über die nachfolgenden Generationen nachzuden-ken und auch über die nächsten 20-30 Jahre dafür Sorge zu tragen.

VITA  Randel Carlock

Randel forscht über Familienunterneh­men, Unternehmertum und Führung und berät große Unternehmerfamilien basie­rend auf seiner Erfahrung als CEO, Pro­fessor, Berater und Psychotherapeut. Er ist der erste Berghmans Lhoist Chaired Professor in Entrepreneurial Leadership und Gründungsdirektor des Wendel In­ternational Centre for Family Enterprise at INSEAD. Er verfügt über eine 25-jäh­rige Führungserfahrung aus seiner Tä­tigkeit als Vorstand eines an der NYSE notierten Familienunternehmens und als CEO und Chairman von vier Unterneh­men, die er selber gründete. Derzeit be­rät er Unternehmerfamilien, Banken und Unternehmen in Europa, dem Nahen Osten und Asien in den Bereichen Stra­tegie, Führungskräfteentwicklung, Fami­lienbeziehungen und Governance.

INTERCONSILIUM: Und beim Paralle­len Planungs-Prozess geht es um die Pro­fessionalisierung des emotionalen Teils der Familie, sozusagen um Stewardship langfristig zu ermöglichen?

 

Randel S. Carlock: Das ist genau richtig. Ich rate Familien immer: Behandeln Sie Ihre Familie wie ein Unternehmen, und behandeln Sie Ihr Unternehmen wie eine Familie. Seien Sie offener, emotionaler und sorgsamer mit dem Unternehmen. Seien Sie strukturierter und professionel­ler mit Ihren Entscheidungen innerhalb der Familie. Innerhalb einer Familie wer­den Sie immer Emotionen im Überfluss haben. Die Herausforderung liegt darin, „professionell emotional“ zu sein. Das ist ein Oxymoron, und die Worte werden nicht häufig gemeinsam benutzt. Familien sollen sich auf jeden Fall ihre Emotionali­tät bewahren, und auch das Unternehmen darf nicht nur rational geführt werden. Für mich ist VW ein gutes Beispiel. Wenn man sich Herrn Piëch ansieht, so erkennt man auf Anhieb nicht gerade viele Emo­tionen bei ihm. Er ist Ingenieur und Stra­tege. Aber die Übernahme von Porsche war durchaus emotional. Sehen sie sich doch einmal ein Foto von Herrn Piëch als kleiner Junge an, der neben seinem Groß­vater Ferdinand Porsche steht. Wie er zu seinem Großvater aufsieht. Welchen Aus­druck er in den Augen hat. Dann macht die Übernahme sehr viel Sinn. Und das ist es, was ich mit emotional meine. Kein Umarmen und Küssen, sondern echte Passion. Oder nehmen Sie Bernard Arnault von Louis Vuitton. Er ist ein Mar­keting Genie, das seine ganze Kraft in den Aufbau von Marken für exklusive Luxus­artikel steckt. Der emotionale Antrieb der Familie Cargill wiederum ist es, die Welt zu ernähren. Selbstverständlich verdient die Familie daran auch gut. Ihre wahre Intention ist aber nicht geldgetrieben. Wenn Sie Ihren Klienten eines sagen soll­ten, dann das: „Bleiben Sie bei Ihrer Pas­sion.“

 

INTERCONSILIUM: Was macht denn nun den Parallel Planning Process aus? Gibt es einen einfachen Weg zur Beschrei­bung, wie man professioneller emotional wird?

 

Randel S. Carlock: Eine einfache Meta­pher, die ich von meinem Kollegen Ivan Landsberg habe, beschreibt den Parallel Planning Process recht anschaulich. Stel­len Sie sich vor, Ihre Unternehmerfamilie hat ein eigenes Flugzeug und geht damit auf Reisen. Ich denke, jeder stimmt mir darin zu, dass ein Flug eine ernstzuneh­mende Sache ist, die einer gewissen Pla­nung und entsprechender Entscheidungen bedarf. Ein Familienunternehmen zu be­sitzen, ist da ganz ähnlich wie solch ein Flug. Es bedarf der Planung eines Ziels (Vision), einer Crew (Familienmitglieder oder externe Manager) und einer Flug­route (Strategie), bevor man sicher abhe­ben kann. Das Entscheidende am Parallel Planning Process ist die Reduktion des Risikos zu vieler Piloten, die alle unter­schiedliche Flughäfen ansteuern. Wenn die Familie und das Management aber eine klare Vision haben, dann wissen sie auch, wie viel Treibstoff gebraucht wird, wie viele Piloten, wie viele Passagiere mitgenommen werden können und wel­chen Flugplan sie benötigen, um am Ziel anzukommen. Wenn die Piloten einen Flugplan (Unternehmensstrategie) auf Basis der Wünsche der Passagiere (Ei­gentümer) entwickeln, die Wettersituation (Ökonomisches Umfeld) beachten und von der Luftüberwachung (Aufsichtsrat) geleitet werden, dann gibt es eine gemein­sam akzeptierte Entscheidung aller, auch im Flugzeug zu bleiben.

“Stellen Sie sich vor ihrer Familie gehört ein Flugzeug
und Sie gehen auf Reisen.”

Und es gibt hier auch nicht den geringsten Zweifel daran, wer das Flugzeug fliegen soll – ein profes­sioneller Pilot mit ausreichend Flugstun­den, allen Lizenzen und einem professio­nellen Flugplan. Um auf Kurs zu bleiben, bedarf es selbstverständlich funktionie­render Instrumente (Controlling) und ei­ner fähigen Luftüberwachung (Aufsichts­rat). So wird beispielsweise auch die not­wendige Wartung (Investitionen) sicher­gestellt, um das Flugzeug sicher in der Luft zu halten. Und so wird während des Fluges auch selten die Frage gestellt, die häufig zu Konflikten in der Familie führt: „Wer kann während des Fluges den Flug­plan ändern?“ Diese Frage muss vorher geklärt werden.

 

INTERCONSILIUM: So beschrieben be­nötigt der Parallel Planning Process insbe­sondere bei großen Familien einen sehr hohen Kommunikationsaufwand.

 

Randel S. Carlock: Jede Familie, ob Un­ternehmerfamilie oder nicht, hat nur eine Möglichkeit, eine Einigung zu erzielen, und das ist Kommunikation. Um die Be­ziehungen zu verbessern und Vertrauen zu generieren, bedarf es der Kommunika­tion. Egal, wo auf der Welt sie zu einer Familientherapie gehen, die Sitzung wird sich stets darum drehen, wie Ideen und Informationen innerhalb der Familie kommuniziert werden können. Wie kann die Kommunikation verbessert werden? Es geht nicht immer zwangsläufig um die direkte Lösung von Problemen. Wenn Kommunikation stattfindet, besteht zu­mindest die Basis für die gemeinsame Lö­sung von Problemen. Und das ist, was den Parallel Planning Process auszeichnet. Jedes Unternehmen muss planen. Es geht um Werte, Visionen, Strategie, Investitio­nen und Aufsicht. Die Unternehmen, die das nicht machen, werden früher oder später Probleme haben. Wir sagen, dass auch jede Familie in diesen Dimensionen planen muss. Erfolgreiche Familien müs­sen also darüber reden, wie man das Ei­gentum am Unternehmen weitergibt oder wer der nächste CEO sein soll. Tatsächlich ist die Planung der Familie sogar noch wichtiger als die des Unternehmens, da sie die Grundlage für alle Planungen des Unternehmens ist.

 

INTERCONSILIUM: Insbesondere die Nachfolge in Eigentum und Management sind hier wichtige Entscheidungen, die frühzeitig zu klären sind.

 

Randel S. Carlock: Definitiv! Es dauert bis zu 20 Jahre, um einen CEO aus der Fami­lie heraus inkl. Studium und Berufserfah­rung zu entwickeln. Wenn Sie einen ex­ternen CEO möchten, beauftragen sie ei­nen Personalberater und in 4 Monaten haben Sie Ihren neuen CEO.

 

INTERCONSILIUM: Nach 4 Monaten haben Sie die Unterschrift eines Kandi­daten. Unter Berücksichtigung der Kün­digungsfristen sollte man aber auch hier frühzeitig über die Suche nachdenken. Es kann schon etwas dauern, bis der optima­le Kandidat dann auch wirklich an Bord ist.

 

Randel S. Carlock: Richtig, aber auf jeden Fall sind die Zeithorizonte der Planung innerhalb der Familie enorm. Höre ich häufig die Einstellung einiger Unterneh­mer: „Es wird sich schon irgendwie erge­ben.“ Wenn man es aber mit der lang­fristigen unternehmerischen Verantwor­tung wirklich ernst meint, dann plant man aktiv voraus. VW ist hier wiederum ein gutes Beispiel. Herr Piëch hat angekün­digt, dass seine Frau seine Position im Aufsichtsrat übernehmen soll, wenn er diese Position nicht mehr wahrnehmen können sollte. Ich bewerte nicht, ob die Entscheidung richtig oder falsch ist. Ich sage aber, dass es gut ist, dass er einen Plan hat und diese Familie nicht kurz­fristig von heute auf morgen führungslos sein wird. Man braucht eine designierte Führungsperson, und deren Bestimmung sollten sich alle Unternehmerfamilien widmen.

INTERCONSILIUM: Woher stammt die Idee zum Parallel Planning Process?

 

Randel S. Carlock: Meine Erkenntnisse stammen aus meiner praktischen Arbeit mit der Familie Cargill; eine der größten Unternehmerfamilien der Welt. Das Unternehmen gehört den Cargills und den angeheirateten Macmillans, wobei die Cargills inzwischen einen Minder­heitsanteil besitzen. Sie können sich sicher vorstellen, wie es ist, wenn Ihre angehei­ratete Familie das Unternehmen über­nimmt. Sagen wir, es gibt dann emotio­nale Spannungen. Während meiner Arbeit mit den Cargills habe ich schnell gemerkt, dass die Pla­nung des Unternehmens zwar wichtig ist. Was grundsätzlich fehlte, war aber die Planung der Familien selber. Als wir dann begannen, unser Buch über Strategien für Familienunternehmen zu schreiben, haben wir die Planungsidee entwickelt und aus­gearbeitet. Wir merkten schnell, dass Un­ternehmensplanungen immer relativ ähn­lich aussehen, Familienplanungen aber immer sehr individuell sind. Alles muss genau an die individuellen Bedürfnisse angepasst sein und die Werte der Familien reflektieren. Da gibt es keine einfachen, vorgefertigten Antworten.

 

INTERCONSILIUM: Die Planung hängt bestimmt sehr stark von der jeweiligen Kultur der Familie ab.

 

Randel S. Carlock: Genau. In der westli­chen Hemisphäre versuchen wir zum Bei­spiel die fähigste Person zu finden und machen diese zum CEO des Familienun­ternehmens. Ob Familienmitglied, exter­ner Manager, männlich, weiblich, das ist uns eigentlich egal, solange es die talen­tierteste Person für diese Herausforde­rung ist. Leistungsgesell­schaft ist eine Art Wert in der westlichen Welt. In Asien ist der erstgeborene Sohn der präferierte Kandidat für die CEO-Position. Selbst dann, wenn er nicht der am besten quali­fizierte Kandidat ist. Diese kulturellen Unterschiede erlauben keine weltweit gültigen Lösungen. Daher de­terminieren in der Planung die Werte der Familie die weitere Familien- und Unter­nehmenspla­nung. Sollte also im asiati­schen Fall der älteste Sohn der bevorzugte Kandidat sein, dann muss sichergestellt werden, dass dieser die bestmögliche Ausbildung mit den besten Praktika, den herausfor­derndsten Projekten bekommt und er von den besten Mentoren betreut wird. Das ist der Grund, warum unser Buch derzeit auf der ganzen Welt so erfolgreich ist. Wir sagen nicht, was die Familien machen sollen, sondern wie sie sich das selber er­arbeiten können.

 

INTERCONSILIUM: Gibt es aus Ihrer Sicht für externe Manager besondere Fä­higkeiten oder Persönlichkeitsmerkmale, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit in Familienunternehmen sind. Der Umgang mit einer Familie unterscheidet sich doch signifikant vom Umgang mit einem extern besetzten Aufsichtsrat.

 

Randel S. Carlock: Es gibt keine wissen­schaftliche Bestätigung, dass einzelne Per­sönlichkeitsmerkmale Unterschiede in der Führung machen. Mandela, Gandhi und Churchill hatten komplett unterschiedli­che Persönlichkeitsmerkmale und waren doch alle große Führungspersönlichkei­ten. Grundsätzlich ist es aber für einen Leader wichtig, ein hohes Maß an Selbst­wahrnehmungsfähigkeit und sozialer Wahrnehmung zu haben. Leader müssen wissen, wofür sie stehen und auf welche Weise sie führen wollen. Externe Manager sind grundsätzlich sehr wichtig für Fami­lienunternehmen, da bei steigender Größe und Komplexität die besten Persön­lich­keiten gebraucht werden, die es gibt. Das gilt zunehmend auch für asiatische Fami­lienunternehmen. Die wichtigste Aufgabe der externen Manager ist der Ausgleich aller Stakeholder mit den Er­wartungen der Familie. Wenn jemand das vernach­lässigt, bleibt er meistens nicht lange in seiner Position. Am Ende des Tages steht doch immer noch der Familienname der Eigentümer am Gebäude. Das muss man einfach res­pektieren.

“Leader benötigen ein hohes Maß an Selbstwahrnehmungsfähigkeit.”

INTERCONSILIUM: Das stimmt und zeigt wieder einmal, dass das Finden eines exzellenten Managers nur ein Teil der Gleichung ist. Die größere Herausforde­rung ist die gute Integration der Person in das Unternehmen und die Anbindung an die Familie.

 

Randel S. Carlock: Eine Möglichkeit ist hier die langfristige Entwicklung eines eigenen Talent-Pools aus Familie und Ex­ternen. Das Unternehmen Cargill ist 150 Jahre alt, was für amerikanische Standards recht alt ist. Jeder CEO in der Firmenge­schichte ist innerhalb des Unternehmens entwickelt worden. Durchschnittlich ha­ben diese 25 Jahre in dem Unternehmen gearbeitet, bevor sie CEO wurden, weil es der Familie wichtig war sicherzustellen, dass das Management die Kultur der Fa­milie und des Unternehmens komplett versteht. Das gilt nicht nur für Familien­unternehmen. GE geht ähnlich vor. Als Jack Welsh in den Ruhestand ging, gab es fünf interne Kan­didaten für die CEO Po­sition. Einer wurde CEO und die anderen wurden CEOs in anderen Fortune 500 Unternehmen. Die Entwicklung des eige­nen Talentes ist eine gute Investition.

 

INTERCONSILIUM: Was uns wieder zum Parallel Planning Process führt. Die Investition in Menschen und in das Un­ternehmen sind wichtige Punkte in der Abstimmung innerhalb der Familie.

 

Randel S. Carlock: Definitiv! Ich sage bör­sennotierten Unternehmen immer: Ver­gessen Sie Ihre Vergütungskomitees und etablieren Sie Talent-Komitees. Jack Welsh wiederum verfolgte den Werde­gang von 200 Mitarbeitern bei General Electric, weil er wusste, er braucht einsatz­fähige CEOs und CFOs für jeden Ge­schäftsbereich. Die ganze Idee des Talent Managements be­steht in der Schaffung eines tief gestaffel­ten Talent-Pools. Ganz wie bei einer Fuß­ballmannschaft. Das er­folgreichste Team ist immer das mit der besten Einstellung und den am besten ausbalancierten Ta­lenten. Es geht nicht um ein Supertalent. Wenn Sie einen David Beckham haben und der Rest des Teams schwach ist, dann gewinnen Sie eben kei­ne Weltmeister­schaften.

“Vergessen Sie Vergütungskomittees
und etablieren Sie Talent-Komittees.”

INTERCONSILIUM: Und trotzdem scheinen sich insbesondere Unternehmer­persönlichkeiten eher an kurzfristigem operativem Handeln zu orientieren, als ein Augenmerk auf das gesamthaft Lang­fristige zu legen. Haben Sie konkrete Bei­spiele dafür, dass der Parallel Planning Process den Familien wirklich hilft?

 

Randel S. Carlock: In unserem Buch fin­den sich viele Beispiele dafür. Eine der bekannten Familien Englands ist z.B. die Wates Construction Familie. Diese Familie hat vor 5-6 Jahren einen Nachfolgeprozess begonnen. Es gab zwar Kinder in der Fa­milie, es gab aber niemanden, der direkt die Aufgabe des CEOs oder Aufsichtsrats­vorsitzenden hätte übernehmen können. Daher hat die Familie für beide Positionen externe Manager geholt. Parallel dazu hat die Familie über 5 Jahre daran gearbeitet, den Talentpool innerhalb der Familie wei­terzuentwickeln. Im April wird nun einer der Söhne, der bereits lange in der Firma gearbeitet hat und sehr gezielt auf die neue Position vorbereitet wurde, Vorsit­zender des Aufsichtsrates. Ich denke, dass ist ein schönes Beispiel dafür, wie über gute Planung und Abstimmung in der Familie das Unternehmen gestärkt wer­den kann. Das ganze Thema ist eigentlich intellektuell nicht besonders schwer und bedarf keines Raketentechnikers. Die Her­ausforderung liegt ganz klar in der Um­setzung. Jedes Unternehmen wurde irgendwann von einem Unternehmer ge­gründet. Unternehmer sind Männer und Frauen der operativen Tat. Und diese Stärke ist zugleich auch eine Schwäche. Unternehmer sehen Chancen und greifen nach ihnen. Die Stärke wird dann zur Schwäche, wenn die Organisation um den Unternehmer nicht mithalten kann oder die Organisation den Verlust des Unter­nehmers nicht kompensieren kann. Hieran sehen Sie die Wichtigkeit von Planung.

 

INTERCONSILIUM: Neben der Beset­zung von externen Führungspositionen für Familienunternehmen helfen wir auch Unternehmerfamilien beim Aufbau ihrer Family Offices. Wie sehen Sie die Rolle von Family Offices innerhalb der Fami­lien?

 

Randel S. Carlock: Eines der Ziele von Unternehmerfamilien ist, wie bei anderen Unternehmen auch, finanziell erfolgreich zu sein. Ein Family Office ist ein sehr gu­ter Weg zur Verwaltung des Familien­vermögens sowie zur Organisation weite­rer unternehmerischer Aktivitäten jenseits des angestammten Familienunterneh­mens. So kann beispielsweise auch eine finanzielle Basis für philanthropische Ak­tivitäten geschaf­fen werden, oder es kann Familienmitgliedern, die nicht im Unter­nehmen arbeiten, die finanzielle Freiheit bieten, ohne wirtschaftlichen Druck einen beliebigen Beruf auszuüben. Jenseits der zweiten oder dritten Genera­tion arbeitet sowieso die Mehrheit der Familienmit­glieder nicht mehr operativ im Unterneh­men. Hier dient das Family Office auch als wichtiger Kristalli­sationspunkt für die Familie. Insbesonde­re philanthropische Aktivitäten drücken die Werte der Familie aus und bilden eine Art sozialen Klebstoff, der die Familie emotional zusammenhält. Family Offices und Philanthropie benöti­gen aber eben­falls die parallele Planung. Jede Organisa­tion, ob profitorientiert oder nicht, muss darüber nachdenken: “Was sind unsere Werte? Was ist unsere Vision? Wie ist un­sere Strategie zur Erreichung der Ziele? Was wollen wir investieren? Wie wollen wir entscheiden? Und wie halten oder vergeben wir Verantwortlich­keiten?“ Das Schöne am Parallel Planning Process ist, dass er nicht rein geschäfts­zentriert ist. Der Prozess hilft jeder Orga­nisation. Betriebswirtschaftliche Fakultä­ten fokussieren sich auf eher technische Themen, die man quantifizieren kann und sie ignorieren die Themen, die man nicht quantifizieren kann. Die eigentliche Kern­frage lautet doch: “Wie erschaffen wir eine bessere Organisation?” und nicht, “Wie optimieren wir die Bilanz?” Je mehr wir die Planung und Kommunikation stärken, desto eher können wir die Organisation als Ganzes stärken.

“Jede Organisation benötigt Planung.”

INTERCONSILIUM: Wie sollten Fami­lien starten, die bisher noch nicht in dieser Form aktiv geplant haben?

 

Randel S. Carlock: Das ist genau das, was wir in INSEAD unterrichten. Also, wie sollten sie starten? Es gibt einerseits eine ganze Menge Faktoren und andererseits bedarf es auch nicht viel. Es gibt bekannt­lich Bücher, mit deren Hilfe man starten kann, um sich der Herausforderungen bewusst zu werden und gemeinsam über die Optionen der Familie zu diskutieren. Viele Business Schools bieten Kurse für Unternehmerfamilien an. INSEAD bietet zum Beispiel ein fünftägiges Programm für Unternehmerfamilien zu deren Un­terstützung bei der Verbesserung der Pla­nung und Kommunikation an. Es gibt das Family Business Network – eine in­terna­tionale Organisation von Unterneh­mer­familien mit regionalen und globalen Kon­ferenzen. Ein weiterer guter Start­punkt ist die Young Presidents Or­ganization (YPO). Viele der Top-Privatbanken bieten Pro­gramme für ihre unternehmerische Kund­schaft an. Die Pri­vatbanken haben natür­lich ein Interesse daran, dass ihre Familien erfolgreich bleiben und finanzieren Schu­lungen als Teil der Kundenbindung.

 

INTERCONSILIUM: Wie ist Ihre Sicht auf die deutschen Familienunternehmen?

 

Randel S. Carlock: Grundsätzlich sind Familienunternehmen ein globales Phäno­men, aber in Deutschland sind sie beson­ders stark. Die deutschen Familienunter­nehmen und der deutsche Mittelstand sind sehr wichtige Gründe dafür, dass Deutschland in Europa und der Welt so erfolgreich ist und eine globale Handels­macht wurde. Unternehmen mit 50-500 Millionen Euro Umsatz sind der Kern der deutschen Wirtschaft. Ich nenne immer VW oder BMW als Beispiel, weil dieses weltbekannte Marken sind. Allerdings sind es deren 500 Zulieferer, die VW und BMW erfolgreich machen. Und viele von den Zulieferern sind wiederum Familien­unternehmen. Das ist das deutsche Ge­heimnis.